Wenn Sie ein Darlehen vorzeitig zurückzahlen, können die Banken eine sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung in Rechnung stellen. Das betrifft zwar grundsätzlich auch Ratenkredite. Jedoch lassen viele Kreditgeber die vorzeitige Tilgung aus Kulanz kostenfrei zu. Bei Immobiliendarlehen hingegen wird fast immer eine solche Entschädigung berechnet. 

Manchmal gibt es jedoch Fehler und Versäumnisse seitens der Banken, sodass Sie die Vorfälligkeitsentschädigung umgehen können. Beharrt die Bank auf Ihrer Position, kann der Gang zum Rechtsanwalt sinnvoll sein. Immerhin geht es beim Vorfälligkeitsentgelt nicht selten um mehrere Tausend - vielleicht zu Unrecht gezahlte – Euro.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Vorfälligkeitsentschädigung wird häufig auch als Strafzins bezeichnet und fällt oftmals bei der vorzeitigen Tilgung eines Darlehens an
  • In der Praxis kommt die Vorfälligkeitsgebühr insbesondere zum Tragen, wenn Sie einen Immobilienkredit vor Ablauf zurückzahlen
  • Nicht selten ist die Berechnung der Entschädigung fehlerhaft, sodass Sie als Kreditnehmer rechtliche Möglichkeiten haben
  • Mitunter ist der Widerruf des Darlehens eine Option, wie Sie der Vorfälligkeitsentschädigung entgehen können
  • Es gibt immer mehr Urteile, in denen die Richter verbraucherfreundlich im Hinblick auf eine nicht zu zahlende Vorfälligkeitsentschädigung entscheiden
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Was ist die Vorfälligkeitsentschädigung?

Der Name sagt es bereits: Die Vorfälligkeitsentschädigung ist eine Entschädigung, die Sie der Bank dafür zahlen müssen, dass Sie einen Kredit vorzeitig (vor seiner Fälligkeit) zurückzahlen. Zwar können Kreditinstitute häufig auch bei Ratenkrediten eine Vorfälligkeitsentschädigung in Rechnung stellen. Oft verzichten die Kreditgeber darauf allerdings aus Kulanz. In der überwiegenden Mehrheit sind Immobiliendarlehen von einer Vorfälligkeitsentschädigung betroffen.

Die Banken verlangen deshalb eine Vorfälligkeitsentschädigung, weil der Vertrag nicht eingehalten wird und das Kreditinstitut nicht mehr mit den eigentlich kalkulierten Zinseinnahmen rechnen kann. Oft nehmen Kreditnehmer eine außerplanmäßige Tilgung und Rückzahlung des Darlehens vor, um beim neuen Kredit Zinskosten einzusparen. Der Bank entsteht dadurch jedoch häufig ein Zinsschaden. Diesen wollen sie durch die Vorfälligkeitsentschädigung ausgleichen.

Sind Vorfälligkeitsgebühr, Strafzinsen und Vorfälligkeitsentschädigung dasselbe?

Die meisten Verbraucher kennen den Begriff Vorfälligkeitsentschädigung. Nicht selten werden alternativ andere Fachwörter genutzt, wie zum Beispiel:

  • Vorfälligkeitsentgelt
  • Vorfälligkeitsgebühr
  • Vorfälligkeitszinsen
  • Strafzinsen

Umgangssprachlich ist mit diesen Bezeichnungen stets die Vorfälligkeitsentschädigung gemeint. Lediglich der Begriff Strafzinsen wird noch in anderen Bereichen verwendet, wenn Sie zum Beispiel für hohe Guthaben auf Ihrem Anlagekonto in der Niedrigzinsphase an die Bank Zinsen zahlen müssen.

Wie hoch ist die Vorfälligkeitsentschädigung?

Vorfälligkeitsentschädigung: Wie hoch ist sie? Diese Frage stellen sich Kreditnehmer als Erstes, wenn sie von der Bank eine entsprechende Rechnung erhalten haben. Tatsächlich ist das Ermitteln der Vorfälligkeitsentschädigung nicht einfach und für den Laien oft intransparent. Jedoch gibt es diesbezüglich einige Vorgaben, welche die Banken in der Praxis beachten müssen. 

Die Kreditinstitute haben die Möglichkeit, zwischen der Aktiv-Aktiv- und der Aktiv-Passiv-Methode im Hinblick auf die Berechnung zu wählen. Die in der Regel für Sie als Kreditnehmer günstigere Variante ist die sogenannte Aktiv-Aktiv-Methode. In dem Fall setzt das Kreditinstitut voraus, dass es das vorzeitig zurückgezahlt Geld relativ schnell an einen anderen Kunden verleihen kann. Geschieht das allerdings mit einem geringeren Zins, wird die Vorfälligkeitsentschädigung berechnet.

Bei der Aktiv-Passiv-Methode ist die Annahme hingegen, dass das zurückgeflossene Geld an den Kapitalmärkten angelegt wird. Dabei berechnet das Kreditinstitut den Zinssatz, den es eigentlich für Ihr vorzeitig zurückgezahltes Darlehen erhalten hätte. Dem wird der Anlagezins gegengerechnet, sodass sich aus der Differenz die Vorfälligkeitsentschädigung ergibt. Da die Methode meistens ungünstiger für Kreditnehmer ist, wird Sie in der Praxis häufig verwendet.

Untersuchungen zufolge beläuft sich die Vorfälligkeitsentschädigung nach dem Hausverkauf oder bei anderen Gründen, aus denen Sie den Immobilienkredit vorzeitig zurückzahlen, im Schnitt auf zehn Prozent. Grundlage ist die noch offene Restschuld, die Sie zurückzahlen möchten. Damit ist das Vorfälligkeitsentgelt bei Immobiliendarlehen noch wesentlich teurer, als wenn Sie zum Beispiel einen Ratenkredit außerplanmäßig tilgen.

Vorfälligkeitsentschädigung beim Immobiliendarlehen

Die Vorfälligkeitsentschädigung kommt in der Praxis insbesondere bei Immobilienkrediten zum Tragen. Dort fällt sie wesentlich höher als bei Ratenkrediten aus, bei denen die Banken – wenn - meistens eine Entschädigung von maximal einem Prozent der Restschuld fordern. Bei Immobiliendarlehen hingegen kann die Vorfälligkeitsentschädigung leicht das Zehnfache ausmachen.

Die Strafzinsen beim Hausverkauf sind der häufigste Anlass, warum die Kreditinstitute eine Vorfälligkeitsentschädigung in Rechnung stellen. Eine Vorfälligkeitsentschädigung beim Verkauf der Immobilie muss allerdings nicht immer akzeptiert werden, da eine Baufinanzierung manchmal gebührenfrei abzulösen ist.

Baufinanzierung gebührenfrei ablösen?

Eine Vorfälligkeitsentschädigung in der Baufinanzierung kommt in der Praxis sehr häufig vor. Es existieren allerdings im Wesentlichen drei Fälle, bei denen Sie Ihre Baufinanzierung gebührenfrei und damit für Vorfälligkeitsentschädigung ablösen können. Das sind:

  • Keine oder fehlerhafte Widerrufserklärung
  • Fehlerhafte Angaben zur Vorfälligkeitsentschädigung
  • Kündigung des Immobiliendarlehens nach mindestens zehn Jahren

Sollte es im Zusammenhang mit dem abgeschlossen Immobiliendarlehen eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung geben, können Sie den Immobilienkredit widerrufen. Das bedeutet, dass Sie zwar das gesamte Darlehen zurückzahlen müssen, jedoch ohne Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung.

Ein zweiter Grund für das gebührenfreie Ablösen der Baufinanzierung sind eventuell fehlerhafte Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung. Die Kreditinstitute müssen Sie nämlich spätestens seit 21. März 2016 darüber informieren, wie die Berechnung stattfindet. Darauf gehen wir im weiteren Verlauf des Beitrages noch näher ein. 

Eine dritte Möglichkeit, Ihre Baufinanzierung gebührenfrei abzulösen, ist die Kündigung des Darlehens nach mindestens zehn Jahren. Haben Sie sich in der Vergangenheit zum Beispiel für eine Zinsbindung von 20 Jahren entschieden? Dann dürfen Sie den Vertrag nach zehn Jahren Ablauf vorzeitig kündigen und den Immobilienkredit damit außerplanmäßig tilgen. Paragraph 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB legt fest, dass die Bank in dem Fall keine Vorfälligkeitsentschädigung berechnen darf.

Strafzinsen auch beim Hausverkauf?

Eine Vorfälligkeitsentschädigung bei Immobiliendarlehen kommt insbesondere zum Tragen, wenn Sie Ihr Haus verkaufen. Dann berechnet die Bank sogenannte Strafzinsen, was grundsätzlich erlaubt ist. Es ist also keineswegs so, dass nach einem Hausverkauf und der damit verbundenen Rückzahlung des Immobiliendarlehens keine Vorfälligkeitsentschädigung berechnet werden dürfte.

Allerdings hat unter anderem der Europäische Gerichtshof in einem Urteil klargestellt, dass Banken mehrere Voraussetzungen im Hinblick auf das Berechnen Vorfälligkeitsentschädigung erfüllen müssen (Az. C-33/20, C-155/20 und C-187/20).

Die wichtigste Voraussetzung ist, dass die Bank Sie transparent darüber informiert, wie sie die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung vornimmt. Geschieht das nicht, werden Kreditinstitute regelmäßig dazu verurteilt, die bereits vereinnahmte Vorfälligkeitsentschädigung an den Kunden zurückzuzahlen. 

Aktuelle Urteile: Vorfälligkeitsentschädigung rechtswidrig?

Grundsätzlich ist die Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung seitens der Banken nicht rechtswidrig. Es gibt allerdings mittlerweile zahlreiche Fälle, in denen Gerichte geurteilt haben, dass die in Rechnung gestellte Entschädigung seitens der Bank zurückgezahlt werden muss.

Teilweise sprechen Experten von einem sogenannten Vorfälligkeitsjoker. Dieser gilt vor allem für eine Reihe von Darlehensverträgen, die nach dem 20. März 2016 geschlossen wurden. Bei diesen Verträgen sind Kreditinstituten nämlich auf bestimmte Fehler unterlaufen, sodass der Anspruch auf die Vorfälligkeitsentschädigung verbürgt ist.

Es gibt mittlerweile eine Reihe von Urteilen. Diese sind oft positiv für betroffene Kunden in der Form ausgefallen, als dass die Vorfälligkeitsentschädigung für nicht rechtens erachtet wurde. So urteilte beispielsweise das Oberlandesgericht Frankfurt (Az. 17 U 810/19), das der Kreditnehmer einen Immobilienkredit vorzeitig zurückzahlen durfte. Die Bank durfte jedoch keine Vorfälligkeitsentschädigung berechnen. Die Begründung bestand in dem Fall darin, dass es im Vertrag unklare Angaben gab. 

Zu einem ganz ähnlich gelagerten Urteil kam in der Vergangenheit das Landgericht Kiel im November 2022 (Az.: 12 O 198/21). Auch in diesem Fall entschieden die Richter, dass die Bank kein Recht auf die Vorfälligkeitsentschädigung hätte. Grund war ebenfalls eine unzureichende Aufklärung des Kunden über die entsprechende Vorfälligkeitsgebühr. Zudem gab es eine fehlerhafte Darstellung der Berechnung.

Neben den genannten Urteilen gab es in den letzten 20 Jahren ebenso einige interessante Urteile seitens des BGH. Bei diesen ging es grundsätzlich um Fragen zur Vorfälligkeitsentschädigung. Zusammengefasst lagen unter anderem die folgenden Sachverhalte vor:

  • Grundlage für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nach der Aktiv-Passiv-Methode müssen Pfandbriefe und keine anderweitigen, niedrig verzinslichen Anlagen sein 
  • Kündigt die Bank einen Kreditvertrag, darf sie keine Vorfälligkeitsentschädigung berechnen 
  • Ist vertraglich eine Sondertilgung vereinbart, muss diese zwingend in die Berechnung der Vorfälligkeitsgebühr einfließen 

Neben diesen Grundsatzentscheidungen lassen sich noch zahlreiche Urteile anderer Gerichte finden, bei denen die entsprechenden Richter zu Gunsten der Verbraucher urteilten. Die Bank musste dann entweder eine bereits vereinnahmte Vorfälligkeitsentschädigung zurückzahlen oder die Kunden konnten auf die Zahlung verzichten.

Beispiel: Vorfälligkeitsentschädigung beim KfW-Kredit

Eine Art bahnbrechendes Urteil gab es im vergangenen Jahr seitens des Landgerichtes Limburg (Az.: 1 O 32/22). Erstmals überhaupt ging es nämlich darum, dass ein Kunde für einen Förderkredit der KfW die bereits gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung zurückverlangen könne.

Im vorliegenden Fall nahm der Kunde sowohl bei der Sparkasse als auch über die KfW einen Kredit auf. Aufgrund einer vorzeitigen Ablösung wurde ihm seitens der Sparkasse eine Vorfälligkeitsentschädigung Rechnung gestellt, die auch zum Teil das KfW-Darlehen betraf. Da der Kreditnehmer jedoch nicht richtig über die Berechnung informiert wurde, sah das Landgericht Limburg darin einen Grund, dass keine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen ist.

Vorfälligkeitsentschädigung umgehen: Was ist zu tun?

Manche Darlehensnehmer versuchen zumindest, eine Vorfälligkeitsentschädigung zu umgehen. Tatsächlich ist die Aussicht auf Erfolg nicht gering, was zum Beispiel die zuvor genannten Gerichtsurteile verdeutlichen. In der Praxis gibt es mehrere Möglichkeiten, wie Sie eine Vorfälligkeitsentschädigung umgehen können. Das trifft unter anderem auf die folgenden Begebenheiten zu: 

  • Falsche Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung
  • Fehlerhafte oder unvollständige Informationen zur Berechnung
  • Fehlerhafte Widerrufsbelehrung
  • Geforderte Vorfälligkeitsentschädigung zu hoch

Im letzteren Fall kommen Sie zwar nicht komplett um die Vorfälligkeitsentschädigung herum, aber diese muss zumindest reduziert werden.

Prüfung auf Vertrags- und Berechnungsfehler

In den meisten Fällen sind es entweder Vertrags- oder Berechnungsfehler, die dazu führen, dass die Bank Ihnen eine bereits gezahlte Entschädigung zurückerstatten muss. Interessant zu wissen ist, dass die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung insbesondere von den folgenden Faktoren abhängt:

  • Laufzeit des Kredites
  • Ursprünglich vereinbarter Kreditzins
  • Aktuelles Zinsniveau

Auf dieser Grundlage können Experten überprüfen, ob es eventuell Berechnungsfehler bei der Vorfälligkeitsentschädigung gab. Zu diesem Zweck werden zum Beispiel Fragen gestellt, mit welchem Wiederanlagezins die Bank gerechnet hat oder ob ersparte Verwaltungskosten in die Berechnung eingeflossen sind. 

Zusammengefasst werden im Hinblick auf die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung häufiger seitens der Banken folgende Fehler gemacht: 

  • Keine Berücksichtigung von Sondertilgungen
  • Nichtbeachtung des Stichtages für die Rückzahlung
  • Kein Einbezug eines vorhandenen KfW-Darlehens

Achten sollten Sie bzw. ein Rechtsanwalt jedoch nicht nur eventuelle Rechnungsfehler. Häufiger gibt es ebenso im Vertrag Fehler. Diese können ebenso dazu führen, dass Sie keine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen müssen. Besonders häufig betroffen sind Fehler und unvollständige Angaben in den Widerrufsbelehrungen, wie zum Beispiel: 

  • Kein Name der zuständigen Aufsichtsbehörde
  • Formulierungen wie „Frist im Einzelfall prüfen“
  • Fehlerhafte Mustertext
  • Keine Belehrung zu Rechtsfolgen des Widerrufs

Widerruf statt Kündigung des Kreditvertrages

Die effektivste Methode zur Vermeidung einer Vorfälligkeitsentschädigung ist der Widerruf statt der Kündigung des Kredites. Schon seit Jahren ist in dem Zusammenhang der sogenannte Widerrufsjoker bekannt. Falls Sie den Kredit tatsächlich erfolgreich widerrufen können, müssen Sie auf der einen Seite selbstverständlich das Darlehen zurückzahlen. 

Auf der einen Seite darf die Bank dafür jedoch keine Vorfälligkeitsentschädigung berechnen. In der Regel kann allerdings nur ein qualifizierter Rechtsanwalt erkennen, ob Gründe für einen möglichen Widerruf vorliegen. 

Deshalb wenden Sie sich zum Beispiel gerne an die Kanzlei CDR-Legal, die sich auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisiert hat. Die Anwaltskanzlei kann nicht nur eventuelle Fehler in Verträgen im Hinblick auf die Vorfälligkeitsentschädigung prüfen, sondern ebenso die Option eines Widerrufs des Kreditvertrages.