Erben Sie von einem Familienangehörigen, der im Ausland lebte? Dann betrifft Sie das internationale Erbrecht unmittelbar. Seit 2015 bestimmt nicht mehr die Staatsangehörigkeit, sondern der gewöhnliche Aufenthalt das anwendbare Erbrecht. Diese Änderung durch die EU-Erbrechtsverordnung bringt neue Chancen, aber auch Risiken mit sich.

Wer seinen Nachlass nicht rechtzeitig plant, riskiert ungewollte Rechtsfolgen, Doppelbesteuerung oder langwierige Erbstreitigkeiten. Dieser Artikel zeigt Ihnen, welche Regelungen gelten, wie Sie Ihr Erbrecht gezielt wählen können und wie Sie Ihr Erbe einfordern können.

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Das Wichtigste in Kürze

  • Der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers bestimmt das anwendbare Erbrecht, nicht die Staatsangehörigkeit oder Steuerpflicht
  • Deutsche im Ausland können durch Testament das deutsche Erbrecht wählen, sofern sie sich in EU-Staaten befinden (ausgenommen Dänemark, Irland und das Vereinigte Königreich)
  • Bei Nicht-EU-Ländern ist stets eine gesonderte rechtliche Prüfung notwendig
  • Die gerichtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers

Paradigmenwechsel seit 2015

Erbfälle mit Auslandsbezug werden in unserer globalisierten Welt immer häufiger. Immer mehr Menschen besitzen Vermögenswerte über nationale Grenzen hinweg und/oder leben im Ausland, was komplexe rechtliche Fragestellungen aufwirft.

Typische Fallkonstellationen entstehen, wenn:

  • ein deutscher Erblasser Vermögen im Ausland besitzt
  • der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Ausland lag
  • ein Testament im Ausland errichtet wurde
    oder
  • Ehen zwischen deutschem Erblasser und ausländischem Ehepartner bestehen

Früher galt nach deutschem Recht die Staatsangehörigkeit zum Todeszeitpunkt als maßgeblich (Art. 25 EGBGB). Seit dem 17. August 2015 ist jedoch der gewöhnliche Aufenthalt entscheidend für die Bestimmung des anwendbaren Erbrechts.

Die EU-Erbrechtsverordnung (Verordnung EU Nr. 650/2012) regelt für alle EU-Länder außer Dänemark, Irland und das Vereinigte Königreich, welches Erbrecht bei Auslandsbezug anzuwenden ist. Deutsche mit gewöhnlichem Aufenthalt im EU-Ausland unterliegen grundsätzlich dem Erbrecht des Aufenthaltsstaates, können aber deutsches Erbrecht per Testament wählen.

Bei Bezug zu Nicht-EU-Staaten kann es zu einer Nachlassspaltung kommen, wodurch ein Teil des Nachlasses nach EU-Recht und der andere Teil nach dem Recht des Drittstaates geregelt wird. Dies hängt von dem jeweiligen Drittland ab.

Was ist der gewöhnliche Aufenthalt?

Der gewöhnliche Aufenthaltsort ist der Ort, an dem eine Person ihren Lebensmittelpunkt hat – also dort, wo sie überwiegend lebt, persönliche und wirtschaftliche Bindungen unterhält und ihren Alltag gestaltet, unabhängig vom formalen Wohnsitz und der Steuerpflicht. Zentrale Beurteilungskriterien sind somit:

  • Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts
  • Familiäre und soziale Beziehungen
  • Berufliche Verbindungen
  • Sprachkenntnisse
  • Lage der wesentlichen Vermögensgegenstände

Eine Mindestaufenthaltsdauer ist nicht erforderlich. Einige Sonderfälle gibt es bei Grenzpendlern. Der gewöhnliche Aufenthalt kann auch dann in Deutschland liegen, wenn die einzige Wohnung im Ausland ist. Beispiel: Ein Grenzpendler wohnt in Polen, arbeitet in Deutschland und spricht kein Polnisch – hier liegt der gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland.

Entscheidung liegt bei den Gerichten

Nicht immer verlagert sich der gewöhnliche Aufenthalt automatisch ins Ausland. Die Gerichte prüfen sehr genau, wo der tatsächliche Lebensmittelpunkt liegt. Das zeigt unter anderem eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Beschluss vom 20.11.2020 – I-3 Wx 138/20): Der Erblasser in diesem Fall hatte sich bis zu seinem Tod überwiegend auf Gran Canaria aufgehalten.

Dennoch sah das Gericht seinen gewöhnlichen Aufenthalt weiterhin in Deutschland. Ausschlaggebend waren seine engen Bindungen zu Deutschland: Er hatte dort nach wie vor eine Wohnung gemietet, seine Meldeadresse beibehalten, soziale Kontakte gepflegt und war in einem Bürgerverein ehrenamtlich aktiv.

Das Gericht betonte, dass nicht allein die Dauer des Aufenthalts entscheidend ist, sondern eine Gesamtwürdigung aller Lebensumstände vorgenommen werden muss. Ein bloßes „Überwintern“ oder längerer Aufenthalt im Ausland genügt nicht automatisch, um den Lebensmittelpunkt dauerhaft zu verlagern.

Für die Praxis bedeutet das: Selbst wenn ein Erblasser viele Jahre im Ausland verbringt, können deutsche Gerichte weiterhin zuständig bleiben, sofern eine enge Verbindung zu Deutschland fortbesteht.

Nationales Erbrecht im Testament festlegen

Nach der Europäische Erbrechtsverordnung gilt grundsätzlich das Erbrecht desjenigen Staates, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen Lebensmittelpunkt hatte. Erblasser können jedoch auch durch Rechtswahl im Testament festlegen, welches nationale Erbrecht zur Anwendung kommen soll. Benötigen Sie Unterstützung bei der Verfassung eines rechtskräftigen Testaments, wenden Sie sich gerne an uns. CDR Legal ist eine auf Erbrecht spezialisierte Kanzlei und kann Sie mit der entsprechenden Expertise unterstützen.

Als Erblasser können Sie in Ihrem Testament ausdrücklich bestimmen, dass die Rechtsordnung des Staates gelten soll, dessen Staatsangehörigkeit Sie besitzen. Die Rechtswahl muss testamentarisch erfolgen und kann nur zugunsten des Rechts der Staatsangehörigkeit getroffen werden.

Bei Doppelstaatsbürgerschaften können sich komplexe Rechtsfragen ergeben, insbesondere bei unterschiedlichen Eheschließungszeitpunkten. In diesen Fällen sollten Sie sich juristische Unterstützung suchen.

Erbe aus dem Ausland einfordern: Das müssen Sie beachten

Wenn Sie von einem deutschen Familienangehörigen erben, der im Ausland verstorben ist, müssen Sie zunächst klären, welches Erbrecht gilt. Gilt das ausländische Erbrecht, sind folgende Schritte notwendig:

  1. Nachweis der Erbenstellung: Vorlage eines Testaments oder Erbvertrags, eines Erbscheins, oder eines Europäischen Nachlasszeugnisses. Das europäische Nachlasszeugnis (ENZ) ermöglicht Erben, Vermächtnisnehmern, Testamentsvollstreckern und Nachlassverwaltern, ihren Status und ihre Rechte in anderen EU-Mitgliedstaaten zügig nachzuweisen.
  2. Nachlassabwicklung im Ausland: Prüfen Sie die zuständigen Gerichte und Behörden im Land des Nachlasses. Oft ist ein Notar oder Anwalt im jeweiligen Land erforderlich. Bankkonten, Immobilien oder Wertgegenstände im Ausland können nur über die lokale Anerkennung Ihres Erbrechts ausgezahlt oder übertragen werden.
  3. Steuern und Abgaben: Es können Erbschaftssteuern im Ausland anfallen, zusätzlich zu möglichen deutschen Steuern. Einige Länder haben Doppelbesteuerungsabkommen, die eine doppelte Besteuerung vermeiden.

Praxisfall: Immobilie in Spanien trotz deutscher Meldeadresse

Gehen wir von einem Beispiel aus: Ein deutscher Staatsangehöriger mit Meldeadresse in Deutschland verstirbt und hinterlässt eine Immobilie in Spanien. Wie ist der Prozess, damit Sie als Erbe die Immobilie erhalten?

Wenn ein deutscher Staatsangehöriger mit Meldeadresse in Deutschland verstirbt und eine Immobilie in Spanien hinterlässt, gilt für den gesamten Nachlass grundsätzlich deutsches Erbrecht, sofern sich sein letzter gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland befand. Hatte der Erblasser seinen Lebensmittelpunkt hingegen in Spanien, kommt in der Regel spanisches Erbrecht zur Anwendung – es sei denn, er hat im Testament ausdrücklich deutsches Recht gewählt.

Damit der Erbe die Immobilie in Spanien tatsächlich auf seinen Namen übertragen bekommt, muss er seine Erbenstellung nachweisen. Dies geschieht am einfachsten durch ein Europäisches Nachlasszeugnis (ENZ), das beim deutschen Nachlassgericht beantragt wird und in allen EU-Staaten – einschließlich Spanien – anerkannt ist. Alternativ kann ein deutscher Erbschein verwendet werden, der jedoch in Spanien nur zusammen mit einer beglaubigten Übersetzung und einer Apostille gilt.

Unabhängig davon, welches Erbrecht gilt, muss die Übertragung der Immobilie stets nach spanischem Recht erfolgen; das ist eine steuerrechtliche Besonderheit in Spanien. Dazu erstellt ein spanischer Notar eine sogenannte escritura de aceptación y adjudicación de herencia (Annahme und Zuweisung der Erbschaft). Für diesen Termin benötigt der Erbe unter anderem den Erbnachweis, die Sterbeurkunde, eine spanische Steuernummer (NIE), einen Grundbuchauszug sowie gegebenenfalls weitere Unterlagen.

Vor der Eigentumsumschreibung muss in Spanien die Erbschaftssteuer (Impuesto sobre Sucesiones y Donaciones) gezahlt werden. Deren Höhe richtet sich nach dem Wert der Immobilie, dem Verwandtschaftsgrad und den Regelungen der autonomen Region, in der sich die Immobilie befindet. Die Steuer ist in der Regel innerhalb von sechs Monaten nach dem Todesfall zu entrichten, wobei eine Verlängerung beantragt werden kann.

Nach der Zahlung der Steuer stellt der Notar die Erbschaftsurkunde zu. Mit dieser kann die Eigentumsumschreibung im spanischen Grundbuch (Registro de la Propiedad) beantragt werden, wodurch der Erbe offiziell als neuer Eigentümer eingetragen wird.

So hilft Ihnen CDR Legal weiter

Das internationale Erbrecht erfordert zum einen eine vorausschauende Planung und zum anderen eine juristisch korrekte Durchführung. Lassen Sie sich frühzeitig beraten, um Ihre Nachlassgestaltung rechtssicher und steueroptimiert zu gestalten. Kontaktieren Sie uns für eine individuelle Beratung zu Ihrem internationalen Erbfall.

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