Insbesondere in Krisenzeiten drohen zahlreiche Gesellschaften in eine Schieflage zu geraten. Vor diesem Hintergrund lassen sich GmbH Gesellschafter häufiger auf eine Gesellschafterbürgschaft ein. Dieser Schritt sollte jedoch gut überlegt werden. Es gibt nur wenige Ausnahmefälle, in denen der Bürge unbeschadet aus der Bürgschaft herauskommt, sollte er nicht zuvor schon in Anspruch genommen worden sein.
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Es gibt im Wesentlichen zwei Wege, wie Gesellschafter dazu verpflichtet werden können, Bürgschaften für ihr Unternehmen zu übernehmen. Eine Möglichkeit besteht darin, diese sogenannte Leistungspflicht innerhalb des Gesellschaftsvertrages zu regeln. Diese Variante basiert auf Paragraph 3 Abs. 2 GmbHG.
Wirksam ist eine derartige Bestimmung in der Satzung allerdings nur unter der Voraussetzung, dass im Detail festgelegt ist, worin der Leistungsumfang des Gesellschafters besteht. Es darf demzufolge keine allgemeinen Formulierungen geben, wie zum Beispiel, dass der Gesellschafter grundsätzlich Bürgschaften für sämtliche Verbindlichkeiten der GmbH übernehmen muss.
Eine entsprechende Satzungsbestimmung hat vorrangig die folgenden Ziele:
Eine Alternative zur Verpflichtung seitens des Gesellschafters hinsichtlich der Übernahme von Bürgschaften ist eine außerhalb der Satzung stattfindende Regelung. Hier kommen insbesondere vertragliche Vereinbarungen zwischen dem Gesellschafter und dem Unternehmen infrage, bei denen es vorwiegend um die Einzelverpflichtung eines Gesellschafters geht.
Bevor wir explizit der Frage nachgehen, unter welchen Voraussetzungen die Bürgschaft eines GmbH Gesellschafters eventuell sittenwidrig sein könnte, möchten wir kurz die generellen Gründe für eine mögliche Sittenwidrigkeit von Bürgschaften nennen.
Rechtliche Grundlage für eine eventuelle Sittenwidrigkeit ist der Paragraph 138 BGB. Prinzipiell gibt es insbesondere die folgenden drei Voraussetzungen, bei deren Vorliegen davon ausgegangen werden kann, dass die Bürgschaft sittenwidrig ist:
Zu den möglichen Gründen, warum eine Bürgschaft als sittenwidrig betrachtet werden kann, gehört ebenso das Einschränken der Entscheidungsfreiheit seitens des Bürgen. Wenn es um eine eventuelle Sittenwidrigkeit der Bürgschaft eines GmbH Gesellschafters geht, dann kommen fast nur eine eventuelle finanzielle Überforderung nebst zu starker emotionaler Bindung an einen anderen Gesellschafter als mögliche Ursache für die Sittenwidrigkeit infrage.
Im Grunde kann es bei einem Geschäftsführer bzw. Gesellschafter einer GmbH nur einen Grund geben, warum die Bürgschaft sittenwidrig sein könnte: Finanzielle Überforderung des Bürgen in erheblichem Umfang in Verbindung mit (zu) starker emotionaler Bindung. Um zu verstehen, dass diese Einwände allerdings für Gesellschafter einer GmbH nur in Ausnahmefällen zum Tragen kommen, müssen wir generell etwas mehr auf die erhebliche finanzielle Überforderung als solche eingehen.
Die sogenannte „krasse“ finanzielle Überforderung seitens des Bürgen ist einer der Hauptgründe, warum eine Bürgschaft generell als sittenwidrig zu betrachten ist. Es gibt allerdings keine einheitliche Definition, ab wann von einer solchen deutlichen Überforderung zu sprechen ist.
Trotzdem wird anhand einer Reihe von Gerichtsurteilen relativ klar, was normalerweise mit einer krassen finanziellen Überforderung gemeint ist. In der Regel ist dann von einer erheblichen finanziellen Überforderung auszugehen, wenn der Bürge voraussichtlich nicht dazu in der Lage sein wird, die Zinsen aus der gegen ihn gerichteten Forderung zu zahlen, und zwar mit dem pfändbaren Teil seines Einkommens.
Anders ausgedrückt könnte man es so formulieren, dass eine erhebliche Überforderung anzunehmen ist, falls die durch den Bürgen übernommene Verpflichtung höher als dessen Leistungskraft ist. Das ist regelmäßig der Fall, wenn bereits bei Abschluss des Bürgschaftsvertrages davon ausgegangen werden muss, dass der Bürge bei späterer Inanspruchnahme ohnehin nicht in der Lage sein wird, der Forderung nachzukommen.
Handelt es sich um eine krasse finanzielle Überforderung, bedeutet dies allerdings noch nicht, dass die Bürgschaft auf Grundlage des Paragraphen 138 BGB sittenwidrig ist. Generell muss noch ein Aspekt hinzu kommen, nämlich ein sogenanntes Ungleichgewicht zwischen den zwei Vertragsparteien. Dies wiederum wird vor allem dann angenommen, wenn es eine starke emotionale Bindung zwischen dem Bürgen und dem Hauptschuldner gibt bzw. beide Parteien einen unterschiedlichen Wissensstand bezüglich der eingegangenen Verpflichtungen haben.
Was bedeutet nun die mögliche Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft aufgrund einer krassen finanziellen Überforderung des Bürgen konkret für Gesellschafterbürgschaften? Eine Vermutung der krassen, finanziellen Überforderung kommt einerseits bei Privatpersonen in deren Funktion als Bürge häufiger zum Tragen.
Auf der anderen Seite haben bereits mehrere Gerichte klargestellt, unter anderem der BGH, dass eine derartige Vermutung nicht bei Gesellschaftern anzuwenden ist, die für ihre GmbH bürgen. Dies hat der Bundesgerichtshof insbesondere in seinem Urteil vom 15. Januar 2002 unter dem Az. XI ZR 98/01 festgestellt.
Die Begründung des Bundesgerichtshof hebt hervor, dass es normalerweise für den Gesellschafterbürgen kein unzumutbares Risiko ist, für die Schulden der eigenen Gesellschaft einzustehen. Zudem habe die kreditgebende Bank selbstverständlich ein berechtigtes Interesse daran, dass der Gesellschafter als Bürge in die persönliche Haftung eintritt, was er in seiner Funktion als Gesellschafter einer GmbH normalerweise nicht muss.
Insofern ist bei einer Gesellschafterbürgschaft seitens des Bürgen nicht von einer Sittenwidrigkeit auszugehen, da weder eine ungewöhnlich große emotionale Verbundenheit besteht noch der Bürge in aller Regel krass finanziell überfordert ist. Falls entsprechende Bürgen dennoch behaupten, dass sie ausschließlich aufgrund einer persönlichen und sehr engen Verbundenheit zu einem Dritten (anderer Gesellschafter) die Bürgschaft eingegangen sind, müssen sie dies ebenso beweisen wie die Tatsache, dass der Gläubiger dies gewusst hätte bzw. hätte wissen müssen.
Aus dem Urteil des Bundesgerichtshofes lässt sich generell ableiten, dass normalerweise bei Bürgen als Gesellschafter einer GmbH weder eine finanziell krasse Überforderung noch eine zu starke emotionale Verbundenheit angenommen werden kann. Daher greift normalerweise die Sittenwidrigkeit nach Paragraph 138 BGB nicht.
Allerdings gibt es in der Hinsicht zwei Ausnahmefälle, bei deren Vorliegen wiederum anzunehmen ist, dass die emotionale Verbundenheit des Gesellschafters wesentlich größer als die wirtschaftlichen Interessen an der Bürgschaft sind. Eine dieser Ausnahmen beinhaltet, dass der Bürge in seiner Funktion als Gesellschafter nur eine sogenannte Bagatellebeteiligung an der Gesellschaft hat.
Das wäre anzunehmen, falls dem Gesellschafter lediglich eine Beteiligung von weniger als 10 Prozent zusteht. Die zweite Ausnahme ist dann gegeben, falls die kreditgebende Bank als Gläubigerin einen der folgenden Punkte beim Gesellschafter festgestellt hat:
Das Problem an diesen Ausnahmefällen ist allerdings, dass diese nur sehr schwer nachweisbar sind, sodass sie in der allgemeinen Rechtsauffassung und in der Praxis eher zu vernachlässigen sind.
Dass bis heute nur in ganz wenigen Fällen die Sittenwidrigkeit einer Gesellschafterbürgschaft nachzuweisen ist, ist vor allem auf das bereits angesprochene Urteil des Bundesgerichtshofes zurückzuführen. Daher macht es Sinn, sich etwas näher mit dem damaligen Sachverhalt und den Entscheidungsgründen des BGH zu beschäftigen.
Im verhandelten Fall beschäftigt sich der Bundesgerichtshof damit, ob die Bürgschaft einer GmbH-Gesellschafterin als sittenwidrig anzusehen ist, da die Gesellschafterin lediglich ein „Strohmann“ war, eine finanzielle Überforderung bestand und die Verpflichtung angeblich ausschließlich aufgrund einer starken, emotionalen Verbundenheit eingegangen ist. Im verhandelten Fall klagte eine Sparkasse als Gläubigerin.
Die Sparkasse hatte einer GmbH Darlehen über insgesamt zwei Millionen D-Mark zwischen November 1993 und April 1994 gewährt. Bei der Beklagten handelt es sich um eine Gesellschafterin als Bürgin, die einen Anteil von 25 Prozent an der GmbH innehatte. Es gab noch drei weitere Gesellschafter mit gleichen Anteilen.
Die Beklagte hatte 1993 eine Höchstbetragsbürgschaft über 500.000 D-Mark für die GmbH übernommen, die sich auf sämtliche existierende und zukünftige Forderungen seitens der Sparkasse bezog. Zu diesem Zeitpunkt war die Beklagte erwerbsunfähig und arbeitete als Hausfrau. Die Einkünfte bestanden lediglich in einem „Hausgeld“, welches sie vom Ehemann in Höhe von monatlich 2.000 D-Mark erhielt. Anschließend verdiente die Beklagte nach ihrer Scheidung als Angestellte monatlich 4.000 DM brutto.
Neben der Bürgschaft erhielt die Sparkasse weitere Sicherheiten, insbesondere eine erstrangige Grundschuld über zwei Millionen D-Mark, die sich auf das Werksgrundstück der GmbH bezog. Ferner gab es eine Sicherungsübereignung des Anlage- und Umlaufvermögens sowie eine Sicherungsabtretung von Forderungen.
Zur Kreditkündigung durch die Klägerin kam es 1995, nachdem seitens der GmbH eine Gesamtvollstreckung über das Vermögen beantragt wurde. In dem Zusammenhang nahm die Sparkasse die Gesellschafterin als Bürgin in voller Höhe mit 500.000 DM in Anspruch. Dagegen wehrte sich die Beklagte jedoch, indem sie auf die Sittenwidrigkeit der Bürgschaft verwies.
Als Grund wurde insbesondere eine krasse finanzielle Überforderung angegeben. Ferner gab die Beklagte an, dass sie lediglich aus steuerlichen Gründen Gesellschafterin der GmbH gewesen sei, jedoch in keiner Weise Entscheidungen im Hinblick auf das operative oder organisatorische Geschäft getroffen hätte. Zudem habe sie keinerlei Fachkenntnisse und Erfahrungen in dem Bereich gehabt haben, in welchem die Gesellschaft tätig war.
Da die Beklagte zudem ihre Anteile an den Ehemann übertrug, gab sie darüber hinaus an, dass sie lediglich als „Strohfrau“ tätig war und die Sparkasse darüber Kenntnis gehabt habe. Darüber hinaus gab die Beklagte an, sie habe die entsprechende Bürgschaftserklärung ohne genaueres Hinsehen unterschrieben. Zudem habe der Ehemann sie insoweit getäuscht, als dass er ihr versichert hätte, dass keine finanziellen Risiken mit der Unterschrift verbunden seien.
Entscheidung des Bundesgerichtshofes gegen die Beklagte
Der BGH entschied im verhandelten Fall, dass die durch die Beklagte übernommene Bürgschaft nicht sittenwidrig wäre und demzufolge Paragraph 138 Abs. 1 BGB nicht angewendet werden könnte. Dabei führte der BGH zur Begründung insbesondere an, dass bei einer Gesellschafterin als Bürgin eine krasse finanzielle Überforderung genauso wenig wie eine zu starke emotionale Verbundenheit mit einem Hauptgesellschafter ausreichen würde, dass von einer Sittenwidrigkeit auszugehen ist.
Dabei betonte der BGH, dass dies selbst unter der Voraussetzung gelten würde, dass die Gesellschafterin lediglich ein Strohmann sei, wie die Beklagte angab. Die Sittenwidrigkeit wäre stattdessen nur unter der Voraussetzung gegeben, dass der Kreditgeber hätte erkennen müssen, dass seitens der Bürgin eine finanzielle Benachteiligung existiert und die Gesellschafterin kein wirtschaftliches Interesse gehabt hätte. Dies jedoch konnte im verhandelten Fall nicht nachgewiesen werden.
Der vorliegende Fall, bei dem der Bundesgerichtshof sich eindeutig auf die Seite der Klägerin stellte und damit urteilte, dass die Bürgschaft nicht sittenwidrig sei, zeigt eins deutlich: Die Beweispflicht einer eventuellen Sittenwidrigkeit der Gesellschafterbürgschaft liegt eindeutig beim Bürgen selbst.
Das Urteil des BGH zeigt weiterhin, dass – trotz augenscheinlich guter Gründe – die Beweise stichhaltig und nahezu wasserdicht sein müssen, damit tatsächlich die Sittenwidrigkeit der Bürgschaft dargelegt werden kann. In der Praxis zeigt sich dies als äußerst schwierig, sodass die weitaus meisten Gesellschafterbürgschaften nicht als sittenwidrig zu beweisen sind.
Sollte der Gesellschafterbürge mit seiner Einrede der Sittenwidrigkeit wider Erwarten Erfolg haben, ergeben sich daraus selbstverständlich weitere Konsequenzen. Die Hauptfolge ist, dass der Bürgschaftsvertrag unwirksam wäre. Das wiederum führt dazu, dass der Gläubiger den Bürgen nicht mehr in Anspruch nehmen kann.
Das wiederum führt dazu, dass der Gesellschafter der GmbH nicht mehr mit seinem Privatvermögen haftet, wie es in der Funktion als Bürge der Fall gewesen wäre. Stattdessen bleibt die Haftung ausschließlich auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt und der Bank geht damit im Grunde eine wichtige Sicherheit verloren. Das wiederum könnte dazu führen, dass der Kreditgeber bestehende Darlehen an die GmbH kündigt, weil ihm die effektiv noch existierenden Sicherheiten nicht mehr ausreichen.
Abschließend lässt sich festhalten, dass die Einrede der Sittenwidrigkeit bei einer Gesellschafterbürgschaft nur selten Erfolg hat. In der überwiegenden Mehrheit aller verhandelten und vorstellbaren Fälle dürfte der Bürge keine ausreichenden Beweise haben, insbesondere dann nicht, wenn er sich auf eine krasse finanzielle Überlastung oder eine zu starke emotionale Verbundenheit an einen anderen Gesellschafter den GmbH beruft.
Lediglich in wenigen Ausnahmefällen und bei wasserdichten Beweisen urteilen die Gerichte manchmal in der Form, als dass die Gesellschafterbürgschaft tatsächlich als sittenwidrig angesehen wird. Aus dem Grund sollten sich Gesellschafter einer GmbH unbedingt des umfangreichen Risikos bewusst sein, welches sie mit einer Bürgschaftsverpflichtung gegenüber ihrer Gesellschaft eingehen.
Auch wenn es sicherlich sowohl geschäftlich als auch menschlich verständlich ist, dass man sich gegenüber seinem Unternehmen besonders verpflichtet fühlt. Trotzdem ist darauf hinzuweisen, dass ein GmbH-Gesellschafter nicht umsonst diese Rechtsform gewählt hat, weil eben eine Begrenzung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen existiert. Geht der Gesellschafter dann jedoch eine Bürgschaft ein, hebt er diesem Vorteil auf, da er als Bürge auch mitsamt seinem Privatvermögen für eventuelle Schulden der GmbH haftet.
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